Die Arbeitsbedingungen im IT-Bereich haben sich in den vergangenen Jahren verschlechtert. Ein Grund dafür ist der immer höhere Druck, unter dem insbesondere Webdeveloper stehen. Die Software-Qualität bleibt somit auf der Strecke. Die Folgen: schlechtes Betriebsklima, zunehmende Unzufriedenheit, hoher Krankenstand.
Immer mehr Arbeitnehmer erkranken an Burnout – Risiken der Digitalisierung. Die Zahl der entsprechenden Diagnosen hat vor allem in den IT-Abteilungen innerhalb der letzten Jahre deutlich zugenommen. Betroffen sind längst nicht nur Mitarbeiter in Agenturen, sondern nahezu jeder ITler. Überall gilt: Möglichst viel produzieren, in immer kürzeren Abständen. Sogar Programmierer und Webdeveloper, die für die eigene Firmenseite entwickeln, müssen “Just-in-time” abliefern. Steigende Umsatz- und Userzahlen sind die Herdplatten, die alles zum Überkochen bringen.
Wie so oft werden nur Symptome und nicht Ursachen bekämpft. Mehr Mitarbeiter verlangt die Branche. Dabei ist die Erstellung von Software, welche heutigen Anforderungen entspricht, keine Arbeit die man in Stückzahlen messen kann. Entwicklerteams sind nicht skalierbar, wie andere Bereiche in der Industrie. Um Prozesse zu optimieren, müssen vor allem auch Arbeitsabläufe, Werkzeuge und die Kommunikation untereinander kontinuierlich verbessert werden.
Das Problem ist erkannt. Natürlich hätte jeder Mitarbeiter gerne weniger Arbeit. Allerdings gibt es immer wieder solche Phrasen: “Unter Druck entstehen Diamanten”. Natürlich gibt es einige Programmierer, die ein solches Umfeld mögen. Wirklich weiter bringt das aber keine Abteilung, kein Unternehmen, keine Kunden und erst recht die Programmierer selbst nicht.
Hoher Druck in angenehmer Atmosphäre
Eine Szene wie im Bilderbuch: Ein Kicker steht im Pausenraum. Auf Sommer- und Weihnachtsfest wird viel gelacht. Es gibt modernste Arbeitsplätze und unzählige Annehmlichkeiten. All das unterscheidet einen Arbeitsplatz in coolen Startups von altbacken geführten Unternehmen.
Schlechte Software-Qualität bedroht überall die heile Arbeitswelt – da kann es noch so spaßig und hip sein. Für einen Webdeveloper hat das gravierende Folgen. Es entstehen Druck und Stress. Deadlines rücken näher und drohen gerissen zu werden. Die Arbeitszeiten nehmen zu und die Motivation sinkt. Man geht morgens nicht mehr gerne zur Arbeit. Danach fühlt man sich ausgebrannt und leer. Bewegung an der frischen Luft und Sport werden stark vernachlässigt. Der Körper leidet. Man kann den Beruf im Kopf nicht mehr von der Freizeit trennen.
Beziehungen im Privatleben bekommen das zu spüren. Die Arbeit macht einen kaputt. Office hell! Ein Burnout kommt schneller als man vielleicht denkt.
Unternehmen können attraktive Arbeitgeber für Webdeveloper werden
Was kann ein Unternehmen für bessere Software-Qualität und ein besseres Betriebsklima tun? Es ist eigentlich recht einfach: Es muss eine neue Wertschätzung erfolgen. Zuverlässigkeit und Stabilität, Performance und Wartbarkeit sind die neuen Leitbilder. Dadurch anfallende Kosten rentieren sich schnell wieder, da viel weniger Bugs entstehen und durch automatisierte Testverfahren sehr viel Zeit gespart wird. Genau das wollen Webdeveloper. Es gibt bereits in den meisten Teams zahlreiche Ideen und Ansätze. Alle Beteiligten sollten einen Maßnahmekatalog vereinbaren und priorisieren. Auch die Probleme an den Schnittstellen der einzelnen Abteilungen untereinander sollten bei dieser Gelegenheit angegangen werden. Software-Qualität steht auch im engen Zusammenhang zu guter Kommunikation im Unternehmen.
Es muss bekannt werden
Unternehmenskommunikation läuft über viele Kanäle. An erster Stelle stehen interne Blogs. Sie bieten zahlreiche Möglichkeiten, sind jedoch mit sehr viel Aufwand verbunden. Texte und Bilder sind ein nicht zu unterschätzender Aufwand. Deshalb bieten sich die beiden Social-Media-Kanäle Twitter und Facebook für den Einstieg besser an. Ein Unternehmen wird dadurch für Webdeveloper und künftige Arbeitnehmer attraktiv.
Die Community wartet
Es gibt viele Usergroups, Barcamps und viele weitere regelmäßige Treffen von Entwicklerteams. Dort können Vorträge gehalten werden. Wenn Unternehmen dort vertreten sind und sich für die Community engagieren, bekommen sie dadurch eine optimale und zielgerichtete Ansprache. Es lassen sich wichtige Kontakte zu potentiellen Arbeitnehmern knüpfen.
Stellenausschreibungen sind out
IT-Fachkräfte werben neue Mitarbeiter oftmals direkt ab. Das passiert durch ein persönliches Gespräch. Wenn die Software-Qualität allerdings nicht stimmt und auch kein gutes Wort über ihren Zustand gesagt werden kann, ist das nicht möglich. Stellenausschreibungen haben heutzutage kaum Alleinstellungsmerkmale. Überall werden erfahrene Entwickler gesucht, die im Gegenzug dafür gut bezahlt werden. Überall gibt es tolle Teams und spannende Projekte. Die Anforderungen unterscheiden sich lediglich in geringen technischen Details und spielen bei der Entscheidungsfindung für einen Jobwechsel keine Rolle.
Stattdessen kommt es auf Bilder vom Arbeitsplatz und Infos über Projekte und das Team an. Unternehmen sollten sich, ihre Mitarbeiter und das was sie tun zeigen.
Unterbrechungen laugen die Energie schnell aus
Anders als weitläufig vermutet, arbeiten Programmierer nicht am liebsten im Bett oder in einem Park. Ein Entwickler sitzt gerne mit Kopfhören vor mehreren Monitoren und arbeitet konzentriert ohne Unterbrechungen. Dies gelingt natürlich im Home Office am besten. Ein paar Stunden fokussiert arbeiten, kann den Output deutlich steigern. Unterbrechungen “nerven” Programmierer besonders stark. Denn sich immer wieder in einen komplexen Code hineinzudenken fällt schwerer. Es werden deshalb viele Stunden in Projekte verschwendet. Deshalb sollten Entwicklerbüros eigenständig und getrennt von anderen Abteilungen räumlich untergebracht werden.
Arbeitsbedingungen verschlechtern sich
An dieser Stelle ein Zitat auf einem bemerkenswerten Fachartikel:
Die Arbeitsbedingungen in der IT-Industrie galten lange Zeit als gut. Die physischen Belastungen sind im Vergleich zur traditionellen Industrie gering. Die Arbeit bietet vergleichsweise hohe Freiheitsgrade in der Umsetzung. Die überwiegend hochqualifizierten Beschäftigten treiben relativ viel Sport und ernähren sich gut. Diese positive Grundsituation wurde in den letzten Jahren jedoch mehr und mehr aufgezehrt. Umfrageergebnisse belegen, dass die Belastungssituation in der IT-Branche deutlich schlechter empfunden wird als in anderen Wirtschaftszweigen.
http://www.heise.de/newsticker/meldung/ITler-unter-Stress-Burn-out-programmiert-1096291.html
Es gibt folgende an Anzeichen, die auf den beschriebenen Sachverhalt hindeuten können:
- anhaltende Erschöpfung
- Lustlosigkeit / keine Motivation
- Schlafstörungen
- Muskel- und Gelenkschmerzen
- Ein Grippe-Gefühl, was nicht mehr weg geht
- verstärkte Kopfschmerzen
- Angstgefühle (vor allem Existenzängste)
- „Es bringt doch alles nichts“-Gefühl
- Das Gefühl, keine Kontrolle zu haben
Burnout – Wenn Selbständige ausbrennen und wie man vorbeugen kann
Fazit
Zufriedene Mitarbeiter unter Webdevelopern sind selten. Wenn Unternehmen allerdings ihre Software-Qualität steigern, entwickeln sich auch die Entwickler weiter. Dadurch entsteht ein angenehmes Betriebsklima. Unternehmen sollten ihre Bemühungen und Aktivitäten deshalb offen kommunizieren und ihr neues Leitbild bekräftigen.
25 Kommentare
[…] stehen schnell Lesbarkeit, Übersicht und Verständlichkeit im Vordergung. Clean Code und damit Software-Qualität. Und genau die möchte Never Code Alone im Big Picture in ganz Deutschland steigern. Daher war es […]
[…] von einem kleinen Teil der Entwickler freiwillig in ihrer Freizeit wahrgenommen. Hier sind auch der hohe Druck und schlechte Arbeitsbedingungen ein Grund für die fehlende Motivation. Wir haben bereits zwei Open Source Projekte für den guten […]
[…] kamen beim dritten #NCAevent auf dem Facotry Campus in Düsseldorf zusammen. Der Gedanke: Schlechte Software macht krank – deshalb entwickeln wir beim gemeinsamen Coding die beste Software, die […]
[…] verheerend: Keinen Bock mehr. Scrollen durch endlos lange Files. Der Kopf macht zu. Selbstschutz. Daraus kann ein Nervenzusammenbruch folgen. Ist mir selbst Ende 2017 passiert und hat mich bis heute im Griff. Macht euch bitte nicht kaputt! […]
[…] das Schlimme ist ja, dass die tatsächlichen Stunden gar nicht erst erfasst und berechnet werden. Die bezahlen die Mitarbeiter mit Überstunden und Kopfschmerzen. Es fehlen der fachliche Austausch und der kurze Dienstweg, und alle sind immer an ihrem Limit. […]
[…] Speaker auf den code.talks 2018 habe ich einen Talk über den Zusammenhang von Softwarequalität und Gesundheit gehalten. Szenenapplaus, große Lacher und Standing Ovations. Der Talk kam sehr gut an. Tolles […]
[…] das ein sehr hohes Risiko für den Entwickler, das Team und für das Unternehmen. An dieser Stelle entsteht unnötiger Druck, da die Verantwortung nicht geteilt werden kann. Code Reviews schaffen hier Abhilfe und verteilen […]
[…] Roland Golla kennt, weiß wie sehr er sich für bessere Software-Qualität und Arbeitsbedingungen im Software Development einsetzt – da sind Pair Programming, Wissensaustausch und Feedback sowie […]
[…] und unnötig langen Wegen und langsamen Prozessen werden nicht mehr ohne weiteres Akzeptiert und machen auch krank. Nahezu die Hälfte der Entwickler hat auf Besuchen von Konferenzen und Usergroups angegeben, dass […]
[…] ausreichend zu testen. Die Folge ist ein unmenschlicher Druck durch die hohe Verantwortung. Die gesundheitlichen Folgen für die seelische Gesundheit bei Web Developern in diesem Umfeld sind katastrophal. Das klingt […]
[…] Schlechte Softwarequalität macht krank, aber der Kunde will das einfach nicht zahlen. Beides ist bekannt und wir versuchen Argumente zu finden, damit wir nachhaltige und gute Software entwickeln dürfen. Mit dieser Serie hier möchten wir Meinungen und Blickwinkeln zu dem Thema veröffentlichen. Dabei ist das Ziel vor allem aufzuzeigen, warum es sich lohnt in bessere Arbeitsbedingungen zu investieren. Hier ist jeder gefragt und nicht nur Entwickler dürfen hier ihre Meinung äußern. Wenn auch ihr 5 Fragen bekommen wollt, dann meldet euch einfach über unsere Social Media Kanäle. […]
[…] dagegen täglich ihre Nerven mit extrem hohen Druck und geringen Produktions Geschwindigkeiten auf. Das macht auch krank und hat sehr ernste gesundheitliche Folgen. Denn schlechte Software-Qualität macht krank und keinen Spaß. Die Message des Talks ist es, […]
[…] und das Testen zunehmen Kunden und Usern überlassen. Ein gefährliches Spiel, wird am Ende beim Schaden doch die Schuld schnell bei den Entwicklern gesucht. Automatisierte Tests für das Frontend sind hier eine sehr gute Lösung. Wenige Zeilen Code testen […]
[…] und unterhaltsamer werden, als die dunkle Originalversion auf den code.talks 2018 zur Verarbeitung meines Nervenzusammenbruchs. Das hat auch ganz gut geklappt. Es war deutlich lustiger und hat auch mehr Auswege und Chancen […]
[…] Code nicht automatisiert testet und die erforderliche Infrastruktur dafür nicht bereitstellt, mutet seinen Entwicklern sehr viel Druck zu. Damit liegt die alleinige Verantwortung, dass alles richtig läuft, immer bei den Entwicklern. […]
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[…] Bug nicht findet oder sich beschwert werden wir hier auch nichts tun” hört man hier leider oft. Das ist in meinen Augen fahrlässig und rücksichtslos. Aber natürlich können Kunden auch nicht bei jeder Codeänderung ein mehrköpfiges Testteam über […]
[…] guter Letzt sollte man auch den gesundheitlichen Aspekt in Betracht ziehen: Von Ergonomik ist auf der Couch nun wirklich nicht viel zu spüren. Gebückt über den […]
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[…] Know-how, neue Technologien, agile Methoden und gute Arbeitsbedingungen sind hier sehr selten. Überstunden, Druck, Frust und schlechte Laune bestimmen den Arbeitsalltag. Das bedeutet in einem wachsenden Markt gibt es ungeschickte Konkurrenz. Phantastische Chancen für […]
[…] macht uns genau an der Arbeit eigentlich krank. Oder besser gefragt, macht schlechte Softwarequalität wirklich krank? Dieser Frage gehe ich schon seit einigen Jahren nach. Für mich ist das völlig klar. Schwer […]
[…] Schlechte Softwarequalität macht krank. Der Druck der hier durch die hohe Verantwortung bei völliger Aussichtslosigkeit entsteht, führt direkt in den Burnout. Was bisher als eigene Theorie von Roland Golla bestand, wurde mittlerweile von Experten aus der Szene validiert. Und auch Christian, Core Developer bei der Shopware Ag, schließt sich dieser Meinung absolut an: „Mit meiner Session hier habe ich den TeilnehmerInnen echt geholfen. Ich habe erlebt , wie dankbar sie waren, als sie die Vorzüge von PHPUnit Tests verstanden. Offene Augen, Lächeln und die Gewissheit, endlich einen Weg für sich zu sehen. Speaker bei NCA zu sein ist wirklich etwas besonderes. Wir haben gemeinsam viel gesprochen und voneinander gelernt. Das ist Gänsehaut-Feeling.“ Und doch sind auch dieses Mal wieder einige Entwickler vor Ort gewesen, die ihrem Schicksal nicht entrinnen können. Diesmal betraf es mehr als 30 Prozent der Anwesenden. „Die haben noch nie in ihrem Leben einen PHPUnit Test gesehen oder etwas von statischer Code Analyse gehört. Das Management lehnt nachhaltige Softwareentwicklung strikt ab und verheizt hier junge Menschen in der Legacy Hölle”, betont Roland Golla, “NCA wird 2022 gute Arbeitgeber finden und mit wirklich tollen, top motivierten Arbeitnehmern zusammenbringen. Unser wichtigster Auftrag neben der Aufklärung wird nicht vergessen. Anfragen sind willkommen. Wir möchten mehr als vier Events deutschlandweit machen.“ […]