Das Jahr neigt sich dem Ende zu und so manche Menschen planen schon einmal ihre Vorsätze für das neue Jahr. Neben vielen persönlichen Dingen fragen sich gerade am Jahresende einige von euch auch, ob sie in ihrem aktuellen Job glücklich sind – das geht ITlern wohl genauso so wie allen anderen.
Natürlich geht es uns im Vergleich zu so manch anderer Branche gut. Trotzdem wissen wir alle, dass wir bloß einmal die Hand heben müssen und morgen woanders anfangen können (nennen wir es der Einfachheit halber Fachkräftemangel).
Was genau bewegt uns also dazu, den aktuellen Job zu behalten und was bewegt uns zum Wechseln?
Die anderen sind (auch nicht) besser!
Ein Jobwechsel ist immer ein großer Schritt. In Stellenanzeigen wird uns der Himmel auf Erden versprochen – aber ob das wirklich so stimmt?
Hier sind die Erzählungen von anderen Devs meist ausschlaggebend – auf Meetups, bei Konferenzen, … . Ein Plausch zeigt uns meistens, was uns tatsächlich an unserer aktuellen Stelle gefällt oder stört.
Wenn mein Arbeitgeber also ganz offensichtlich unter dem Durchschnitt liegt und mir Person X bei einem Bierchen erzählt, dass genau meine Schmerzpunkte wie weggeblasen wären, wenn ich dorthin wechsle, dann tendiere ich zu einem neuen Arbeitgeber.
Ist der Schmerzpunkt erst einmal ausgemacht, kann man sich entscheiden: Kämpfen oder kündigen.
Wenn ich mich anstrenge, kann ich hier (keine) Dinge ändern!
Dieser Punkt hängt auch ganz stark mit dem nächsten Absatz (Wertschätzung) zusammen.
Ich merke, was mich stört – vielleicht habe ich sogar das große Glück und kann darüber mit einem erfahrenen Team- oder Agile-Coach reden. Der wird mich dann vielleicht so etwas fragen wie „Was müsste sich ändern, damit du nicht mehr kündigen willst?“ und nach zwei Tagen komme ich vielleicht auf die Idee, dass mich ein monatlicher interner Hackday richtig glücklich machen würde.
Da können wir dann alle einen Tag lang gemeinsam an coolen Projekten basteln.
Zugegeben, je eingestaubter die Unternehmenskultur, umso schwieriger ist es, die Vorgesetzen davon zu überzeugen – denn die sehen schlimmstenfalls erstmal nur einen Personentag Ausfall für die ganze Abteilung.
Aber nehmen wir mal das Gegenteil an: Cheffe will es wenigstens einmal ausprobieren. Es läuft alles super, neue Technologien werden ausprobiert, jemand bringt seinen Rasperry mit und der Meetingraum bekommt ein cleveres Buchungssystem direkt an der Tür!
Der Hackday wird ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur. Vielleicht erinnern sich sogar einige daran, dass das meine Idee war. Aber das ist eigentlich auch egal: Ich kann hier etwas ändern, wenn mich etwas stört oder ich einfach eine geniale Idee habe! Ich habe also gar keinen Grund direkt zu kündigen, wenn mich etwas stört, denn ich kann es stattdessen ja ändern und gleichzeitig in meiner gewohnten Umgebung bleiben!
(Mangelnde) Wertschätzung und Kommunikation
Konstruieren wir hier mal einen (scheinbar) simplen Fall und sagen: Mich stört, dass ich zum Kaffee holen immer in das Personalbüro laufen muss, weil dort die Kaffeemaschine steht.
Dann kann ich zu meinem Chef gehen und ihm sagen, dass mich das stört. Oder noch besser: Ich sage, was mich stört! Mag ich die HR-Menschen nicht? Ist mir der Weg zu weit und meine Knie tun weh? Reißt mich das zu sehr aus dem Fokus-Tunnel?
Und nochmal besser ist es dann, wenn ich gleich einen Vorschlag mache. Zum Beispiel könnte man ja die Kaffeemaschine irgendwo mittig auf der Bürofläche platzieren?! Oder eine zweite Maschine für die IT kaufen?!
Das spannende ist, dass die tatsächliche Lösung weniger Einfluss auf mein Wohlbefinden hat, als die Reaktion der Chefetage.
Wenn man mir jetzt in Ruhe erklärt, dass die HR ihre Maschine selbst finanziert hat und ein Umstellen genauso unfair wäre, wie ein Neukauf – okay. Und wow, voll nett, dass die HR mir immer erlaubt hat, ihre Maschine benutzen! Die bekommen demnächst mal Kuchen von mir 🙂
Ist die Reaktion aber einfach nur „Das geht nicht!“ (bestenfalls noch geschmückt mit dem Hinweis, wie undankbar die IT ist), dann sieht die Welt gleich ganz anders aus!
Das Ergebnis ist das gleiche: Wenn ich nahegelegenen Kaffee will, muss ich meine eigene Maschine aufstellen. Das Kündigungsfass ist aber in dem ersten Szenario leerer geworden (nette Kollegen, faire Chefs) und in dem anderen Szenario kam wieder ein Tropfen hinzu (unfaire Chefs).
Egal, wie stressig es ist – als Vorgesetzter* muss man da einfach durch und gerade dann wertschätzend kommunizieren!
Finanzielles
Dieser Punkt hat bei mir persönlich schon einmal das Fass fast zum Überlaufen gebracht. Darüber möchte ich hier also etwas ausführlicher schreiben.
Fast jeden Tag erreichen mich Nachrichten von Arbeitgebern und Headhuntern, die um mich als neue Entwicklerin werben: Mit mehr Verantwortung, mehr Geld, mehr Spielraum, mehr Urlaub, mehr Flexibilität, mehr von irgendwas.
Nach etwa 2 Jahren in meiner Firma hatte ich ein Jahresfeedbackgespräch, in dem unter anderem auch das nächste Jahresgehalt ausgehandelt wird.
Ich verdiene genug für meinen gewünschten Lebensstil.
Und ich behaupte: Genau das wollen die meisten von uns ITlern. Den gewünschten Lebensstil ohne Sorgen bezahlen können.
Zurück zur Geschichte: Mein Chef ging mir zwar mit seiner Art hier und da auf die Nerven aber zu 95% treffen wir ohnehin alle Entscheidungen im Team – mein Chef und ich müssen also nicht beste Freunde werden. Alles war soweit gut. Also wollte ich beim Jahresfeedback (was übrigens ohnehin ein viel zu großer Zeitraum ist) wenigstens einen Inflationsausgleich erreichen und alles wäre gut gewesen.
Wir setzen uns also hin mit unseren ausgefüllten Fragebögen und es kommt heraus, dass es keine großen Uneinigkeiten gibt. Es klappt alles gut. Mein Chef hatte keinen einizigen großen Kritikpunkt. Und trotzdem sollte ich keine finanzielle Verbesserung bekommen, keine weiteren Urlaubstage, nicht einmal einen 20€ amazon-Gutschein als Bonus.
Und da war ich dann sauer – ich arbeite seit 2 Jahren für diese Firma und bin nicht mehr wert als am Anfang? Es gab keinen Kritikpunkt, der das begründet und ich wusste, dass andere Kollegen eine Gehaltserhöhung bekommen hatten. Ja, liebe Arbeitgeber, wir Devs reden schonmal über sowas, wenn vielleicht auch nicht immer mit konkreten Zahlen!
Hätte mein Chef eine Begründung genannt und mir irgendetwas angeboten, wäre alles ok gewesen. Stattdessen gab es keine Begründung und Argumente wurden einfach übergangen. Nach einem Gespräch mit der HR habe ich es dann nochmal in Ruhe versucht und den Chef gefragt, ob die Firma Schwierigkeiten hat oder es einen anderen Grund gibt. Ob wir statt Geld eine andere Verbesserung aushandeln sollen. Gleiche Reaktion: „Nö, das geht nur einfach nicht.“
Tja, und daraufhin hatte ich dann einen Probetag woanders. Aus meiner Sicht: Völlig unnötig.
Das ist (nicht) meine Familie!
Einer der Hauptgründe, weshalb ich so schon so lange bei meinem aktuellen Arbeitgeber bin, ist definitiv mein Team!
Ich würde nicht so weit gehen und es als meine Familie bezeichnen. Aber wir sind ähnlich unterschiedlich gestrickt und vertraut miteinander:
Wir sind eine sehr durchmischte Truppe – sowohl kulturell als auch privat. Wir haben sehr unterschiedliche Hobbies und verschiedene Ansichten über viele Themen. Und wir reden sehr offen und ehrlich genau darüber. Um ehrlich zu sein, haben wir bisher kein Tabuthema gefunden. Ob Menstruationstasse, das Projekt „Kein Täter werden“ oder „Muss das wirklich ein ValueObject sein oder reicht da auch ein integer?“ – wir können über alles respektvoll reden und gleichzeitig nach außen hin oft sehr respektlos wirken. Aber unter uns wissen wir, dass „Deine Mutter!“ keine Beleidigung ist. Und ja, das hat von außen schon einige Male zu.. „Rückfragen“ geführt.
Für mich persönlich ist genau diese etwas durchgeknallte Konstellation ein Grund zum Bleiben.
Wären wir eine gesichtlose Masse in Anzügen, hätte ich höchstwahrscheinlich schon gekündigt.
Da wir aber einen gewissen Eigenanteil beim Recruiting haben, wird das so schnell nicht passieren 😉
Hinzu kommt, dass unser Arbeitgeber abteilungsübergreifende Aktivitäten unterstützt.
Wir haben zum Einen einen Open Space Tag, an denen Personen aus den verschiedensten Abteilungen teilnehmen. Da erfährt man dann immer, was andere gerade für Probleme haben und meistens hat jemand einen guten Tipp, Erfahrung in dem Bereich oder es wird direkt ein kleiner MVP geplant und gebaut. Eine Aktion, die es ohne die Bemühung unserer Scrum Master gar nicht gäbe. Das weiß ich sehr zu schätzen.
Zum Anderen werden bei uns die unterschiedlichsten außerbetrieblichen Aktivitäten gefördert. Ein paar Sportarten sind umsonst und bei anderen Events (Malkurse, Weinproben, …) steuert die Firma etwas bei. So lernt man auch Leute aus anderen Abteilungen privat kennen – gerade in doch recht anonymen Großstädten und ganz besonders für Hinzugezogene ist das wirklich gut.
Mich interessiert: Warum seid ihr in eurer Firma? Habt ihr Dinge, die ihr an eurer Arbeitsstelle ganz besonders schätzt? Was war euer letzter Kündigungsgrund? Was fehlt noch in der Liste?
Postet eure Antworten gerne unter dem hashtag #nevercodealone !
*) Der Artikel erscheint in Deutsch und Englisch auf unterschiedlichen Plattformen. Ich habe (vor allem in der Deutschen Version) versucht, an möglichst vielen Stellen geschlechtsneutrale Bezeichnungen zu nutzen ohne den Lesefluss zu stören. Das ist gar nicht so einfach. Wo das nicht gelungen ist: Selbstverständlich sind alle im Artikel erwähnten Jobbezeichnungen geschlechtsneutral gemeint.
Anonymer Gastbeitrag: Themen zu Arbeitsbedingungen in der IT geschützt veröffentlichen
Der persönliche Beitrag hier wurde nicht vom Redaktionsteam von Never Code Alone geschrieben. Wir bieten aber die Möglichkeit Artikel anonym unter dem Benutzer zu veröffentlichen. Dabei ist uns der Datenschutz und der Schutz der Person hinter dem Artikel wichtig. Wir prüfen Artikel nach unserem besten Gewissen. Sollte jemand mit einem Artikel nicht einverstanden sein darf gerne unkompliziert zur Klärung mit uns persönlich Kontakt aufgenommen werden. Im kommenden Jahr werden wir deutlich mehr konkret über Arbeitsbedingungen in der IT berichten. Wenn hier also jemand aus dem Umfeld der IT einen Artikel persönlich, privat oder als Firma veröffentlichen möchte könnt ihr uns einfach ansprechen.