Remote only oder ich kündige – 5 negative Trends

Von Never Code Alone
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Gerade im Bereich Webdevelopment gibt es eine klare Forderung nach „remote only“. Das bedeutet dann auch wirklich nie. „Wenn ich zur Weihnachtsfeier muss, dann kündige ich“ hat mir Ende letzten Jahres eine PHP Backend Developerin aus Hamburg erklärt. Ich persönlich komme aus einer „Office only“ Generation, habe vor Corona 4.5 Jahre im Homeoffice gearbeitet. Dazu bin ich auch seit fast 2 Jahren Arbeitgeber, war lange Lead Developer und tausche mich sehr regelmäßig mit meinem Netzwerk zu dem Thema aus. Das ist der Beginn einer Artikelserie. Heute geht es mir erstmal um 5 negative Trends, die ich aktuell beobachte.

Junge Developer brauchen viel mehr als nur Austausch über Videos

Ich finde, bei aller Diskussion gegen die Arbeit im Office stehen immer völlig egoistische Gründe. Gehe ich ins Office bringe ich etwas in die Gemeinschaft ein, bin ich weg, findet der Austausch nicht mehr statt. Als Grund wird hier die eigene Wegzeit angegeben und etwas mit der Umwelt vorgeschoben. Nachhaltig zu leben ist sicher deutlich mehr als ein Arbeitsweg. In Wahrheit werden einfach keine Vorzüge im persönlichen Kontakt gesehen. Gerade das ist ja für junge Developer und den Nachwuchs sehr wichtig.

Remote sind die Hürden für die Kontaktaufnahme doch deutlich höher. Aber neben all den Dingen, ist es doch auch wirklich wichtig für den Nachwuchs seine Vorbilder bei der Arbeit mit allen Emotionen, dem Einsatz der Tools, der persönlichen Herangehensweise und viel mehr zu sehen. Dabei zu sein und gemeinsam zu arbeiten. Natürlich auch einen echten Arbeitsort, mit coolen Schreibtischen, Stühlen und Rechnern zu sehen. Der Glanz der IT-Welt, den es zu Hause nicht gibt.

Büroraum

Fokussiert und nicht motiviert, Arbeit muss nicht nur Spaß machen

In meinen 4.5 Jahren Homeoffice habe ich persönlich sehr viel bewegt und nach vorne gebracht. Es gab für mich auch keinen Grund in ein Office zu gehen. Globale remote Teams in unterschiedlichen Zeitzonen auf Top-Niveau waren hier mein Umfeld. Die mussten das auch nicht mehr lernen. Dabei habe ich aber bei all unseren Wohnungen auch immer ein eigenes Zimmer gehabt. Sehr gut eingerichtet und generell vom Setup dem normalen Offices bei weitem überlegen. Und da habe ich auch sehr viel Gas gegeben. Lange und große Ziele gesteckt und irgendwie auch erreicht. Aber nach langer Zeit habe ich dann doch den Fokus verloren.

Die Auswahl des richtigen YouTube Songs für die Arbeit dauerte mehr als eine halbe Stunde, die Mittagspause bekam ein NHL Spiel auf der Playstation dazu und die Zahl der abrechenbaren Stunden in der Woche fiel auf unter 20. Damit war es dann soweit mir ein Office zu suchen. Arbeitsatmosphäre, einen Weg zur Arbeit hin und auch zurück. Auf der Arbeit gibt es nur Arbeit. Und das ist auch gut so. Hier leiste ich auch echt viel, auch wenn ich müde bin oder bei Aufgaben, bei denen ich weniger Lust habe. Denn hier bin ich im Modus Arbeit und etwas anderes gibt es hier einfach nicht.

Direkte Hilfe, Wertschätzung und Dankbarkeit – schnacken im Office fehlt

„Man verbringt ja mehr Zeit hier mit den Kollegen als mit der eigenen Familie.“ Ja, so war das damals vor Corona. Da hat man gemeinsam Rechner an Rechner Probleme gelöst. Kreativ, mit der Brechstange, an Flipcharts etc. Und auch die Mittagspause war gesetzt. Gemeinsam zum Essen in die Foodtempel der IT Hochburgen in Düsseldorf und Köln. Eingeschworen, getaktet und ganz eng verbunden. Gearbeitet wurde als Team. Einfach, direkt und mit Emotionen. „Das Wichtigste sind hier immer noch die Kollegen und das Team“, noch so ein Relikt aus der Zeit vor Corona.

Heute gibt es Online Meetings. Die fressen Zeit, kosten Geld. Lieber schneller, wir haben ja keine Zeit. Wollen alleine im Fokus arbeiten. Ohne alle anderen und ohne Unterbrechungen. Deliver first and only. Und wenn einer Hilfe braucht, dann kann er das ja alles in einen Channel schreiben. Da wird ihm dann langwierig und elendig geholfen. Nicht in 15 Minuten mit einem zweiten Blick. Aber am Ende gibt es Likes.

Und wie genau soll man damit etwas ändern, besser werden, sich abheben und innovativ werden. Das ist sehr schwer. Klar gibt es auch hier positive Beispiele in der ganzen großen Welt und Teams, die das schaffen. Aber am schlimmsten ist doch, dass man keine Office Kumpels mehr hat. Mit denen man so ein echter Haufen ist. Und einfach mal lacht, weil man sich sieht und Menschen eben so sind. Wegen ihrer lustigen Art. Mal so spontan Faxen machen und einfach mal Spaß haben. Das ist wichtig, wenn es auf einmal ganz weg ist. Auch als Team mal einen Running Gag zu haben.

Kollegen unterhalten sich im Büro

Werte, DNA, Team Spirit und die Innovation – In Video-Chats wird mehr gespielt

In der IT und auch in anderen Organisationen nehmen auch Developer gerne eine Rolle ein. Oft sind Organisationen kopfgesteuert und haben erstmal unternehmerische Ziele. Erinnern wir und mal an eine Zeit vor Corona. Da gab es auch Meetings und ein zunehmendes Problem mit Meetings. In Bewerbungsgesprächen wurde Bewerbern dazu geraten, offen die Meetingkultur anzusprechen. Denn die Teams haben deutlich besser in der Selbstorganisation funktioniert. Die Meetings wollte der Kopf für die Kontrolle. Die Folge, in Meetings wurde vor der Chefetage geglänzt. Danach wurde Tacheles im Flurfunk und bei der wichtigen Raucherecke geredet. Die Taktik wurde im Huddle gemacht, wie man im Football sagt. Das ist alles weg. Wir treffen uns jetzt nur noch in Meetings und auch wenn die Chefs nicht anwesend sind, so ist das Verhalten offen Probleme anzusprechen, einfach nur nervig, weil es vom “Abhängen” abhält.

Das Team kann so einfach keine eigene DNA entwickeln. Stichwort Highperformance Teams. Die DNA hat sich, wenn überhaupt lange vor Corona entwickelt. Aber wie soll die denn jetzt noch funktionieren, sich entwickeln und vor allem innovativ werden. Die unternehmerischen Werte etc. Wenn es völlig gleich ist, wie der Laden heißt, der mein Gehalt überweist. Weil es überall gleich ist. Das wird nicht funktionieren. Wir sind nicht dafür gemacht einzeln in remote Office zu hängen.

Zeitlicher Verlust beim zurücksetzen in den Arbeitsmodus – Zu Hause ist es einfach anstrengender

Es gibt ganz viele Gründe, warum man aus seiner Arbeit gerissen wird. Zu Hause kann es hier mehr geben als im Office. Und sie können deutlich stärkere Auswirkungen haben. Zuhause ist der Arbeitsmodus nicht so stark. Das kann gut oder schlecht sein. Es ist eine Typfrage und was man für eine Arbeit macht. Developer Office Abteilungen waren immer schon sehr ruhig. Die, die am meisten von der neuen Ruhe im Home Office partizipiert haben, waren in der Regel in Abteilungen, in denen viel telefoniert wurde oder sie auch selbst deutlich mehr, als die zu erledigende Arbeit aufbekommen haben. 

Fazit Jeder sieht erst mal sich selbst und das war mal anders – Menschen brauchen Menschen

Es gibt da draußen viele unterschiedliche Menschen, Firmen, Situationen und Gründe. Es gibt mehr als die Entscheidung zwischen Office Hell und niemals persönlichen Kontakt zu haben. Vielleicht gibt es auch bei mir einen wachsenden alten Mann, bei dem früher alles besser war, obwohl ich es zu dem Zeitpunkt gehasst habe. Und ich habe damals noch gelernt, was echte Arbeit ist und einen Arbeitsplatz bekommen.Täglich 90 Minuten im ÖPNV über Jahre bei Wind und Wetter.

Und ich betrachte ich dann rückwirkend die besten Teams, in denen ich am meisten geschafft habe und frage mich, wäre das remote möglich gewesen? Wir hatten unsere eigenen Räume, vielleicht einen lustigen Kalender an der Wand. Und da waren diese lustigen Situation. Wenn alle einmal gelacht haben. Gemeinsam lachen. Heute werden Smalltalks und Witze in Video-Meetings nicht gerne gesehen. Die sind einfach nur nervig. Und wenn das schon nervt, wenn man sich überhaupt sieht, wie leidet dann der Bock. Oder ist Arbeit doch wieder Maloche geworden? 

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